aqut* – Aktion queer und trans* an der Uni Göttingen
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Die Polizei ist keine Säule der Vielfalt – Ein Statement gegen die Zusammenarbeit des LSVD mit der Göttinger Polizei
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Der LSVD Niedersachsen-Bremen sammelt derzeit mit der “Säule der Vielfalt” nacheinander in verschiedenen Städten Wünsche, Forderungen und Kritik queerer Personen und Strukturen für die Landtagswahl 2022.

Soweit die Vorsätze des niedersächsischen Landesverbands des LSVDs, des Lesben-Schwulen-Verbands Deutschland. Ein Verein, der nicht nur in seinem Titel, sondern auch in seinen Handlungen immer wieder die Vielschichtigkeit queerer Perspektiven überhört und dadurch auffällt, sich besonders für die Belange von weißen, cis Homosexuellen aus einem bürgerlichen Kontext einzusetzen.

Eingelöst werden können die Versprechungen der Säule der Vielfalt zumindest in Göttingen nur schwerlich, denn hier hat sich der LSVD nämlich entschieden, für das Aufstellen der Säule mit der Göttinger Polizei zusammenzuarbeiten. Mag vielleicht absurd klingen, scheint aber den Organisator*innen des LSVD Niedersachsen-Bremen nicht aufgestoßen zu sein.

Mit dem Aufstellen der queeren Säule zusammen mit der Polizei Göttingen geht der LSVD eine Verbindung mit der Polizei ein, welche die vielschichtigen Probleme queerer Personen im Umgang mit der Polizei verharmlost und das strukturelle Polizeiproblem, grade in Deutschland, unsichtbar macht. Wir sind nicht überrascht, dass der LSVD sich zu der Zusammenarbeit entschlossen hat, aber trotzdem wütend! Wir stellen uns ganz klar gegen eine Kooperation mit Polizei! 

Der Ursprung von Pride und CSD Veranstaltungen liegt im Widerstand gegen Razzien der Polizei und der damit verbundenen Polizeigewalt. Angeführt wurde dieser Widerstand 1969 von Schwarzen und Latinx trans* Frauen und Sexarbeiterinnen wie Silvia Rivera und Marsha P. Johnson. Sie wehrten sich gegen jahrelange rassistische, queerfeindliche und sexistische Gewalt ausgehend von der gesamten Gesellschaft aber eben auch explizit von Staatsorganen wie der Polizei. Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland war das der Alltag vieler queerer Menschen. 

Zur Zeit des NS-Regimes sollten queere Menschen vernichtet werden. Aber die Verfolgung und Ausgrenzung endete nicht mit der Gründung der BRD und der DDR. Eine nennenswerte Entnazifizierung hat nie stattgefunden. Doch nicht nur stramme Nazis, sondern die ganze Struktur der öffentlichen Behörden blieb bis heute trans*- und queerfeindlich. Vor Allem schwule und bisexuelle Männer wurden nach dem §175 noch lange von der Polizei drangsaliert und vom Staat verurteilt. Auch heute erleben queere Personen explizit Polizeigewalt, sogar auf vermeintlich sicheren Veranstaltungen wie dem CSD in Köln 2016, wie der Fall von Sven zeigt, dem bis heute eine richtige Aufklärung und eine strafrechtliche Verfolgung der polizeilichen Täter_innen verwehrt bleibt. (https://www.queer.de/detail.php?article_id=39104)

Immer mehr Medienberichte belegen, dass auch heute die Polizei von Nazis durchsetzt ist, die nach ihrer Enttarnung oftmals weiter im Amt bleiben können und nur versetzt werden. Rechtsextremer Terror wurde von der Polizei und dem Verfassungsschutz nicht aufgeklärt, sondern gedeckt und gefördert. Auch nach der Selbstenttarnung des NSU zeigt sich mit den Realitäten in Hanau und Halle ein Kontinuum. Und auch in Göttingen hat die Polizei mal wieder ihren Rassismus gezeigt, als sie während der Demo zum African Liberation Day Teilnehmende kesselte und festhielt.

Während der LSVD mit seiner Zusammenarbeit mit der Göttinger Polizei den Eindruck macht sich nur für bürgerliche, weiße, cisgender Schwule und Lesben zu interessieren, trifft viele queere Personen Polizeigewalt aus rassistischen, sexarbeitsfeindlichen und trans*feindlichen Motiven. Dabei handelt es sich um strukturell verankerte Probleme, die sich in Racial Profiling, Abschiebungen, schlechten Wohnsituationen, Räumungen und vielem mehr äußern. Das Wissen der Polizei nicht vertrauen zu können und immer davon ausgehen zu müssen Übergriffe durch die Polizei zu erleben, schikaniert, verletzt und im schlimmsten Fall ermordet zu werden, ist für rassifizierte, nicht-weiß gelesene Menschen in Deutschland Alltag. Die Gleichzeitigkeit von Trans*feindlichkeit und Rassismus trifft vor Allem QTI*BIPoC Personen. Schwarze, sexarbeitende, (post-) migrantische trans* Frauen werden besonders marginalisiert und von der Polizei und dem Staat drangsaliert.

Eine queere Befreiung ohne die Abschaffung der Polizei, Gefängnissen und Abschiebungen kann es nicht geben. Auch eine LSBTI Gruppe innerhalb der Göttinger Polizei, die auf ihrer facebook Seite damit wirbt, gemeinsam gegen Hass und Hetze vorzugehen, ändert rein gar nichts an den Strukturen. Stattdessen wollen sie den Eindruck erwecken sich für queere Menschen zu engagieren. Was ein ekelhafter Hohn. Bis Anfang dieses Jahres war es Aufgrund der Polizeidienstvorschrift Trans*, nicht-binären und Inter* geschlechtlichen Menschen die zB. Operationen hatten oder Hormone nehmen der Polizeidienst nicht erlaubt. So müsste u.a das “Hormonsystem intakt sein”, Verlust von Hoden oder Brustimplantate waren ein Ausschlusskriterium von Polizeidienst. Das sich dies nun geändert hat, ist keinesfalls Verdienst der Polizei oder der Polizeigewerkschaft, sondern von Protesten und schlussendlich der Politik. Dies zeigt das die Polizei kein Interesse an der Integration von Trans*, nicht-binären und Inter* Personen besitzt. Das stellt noch mal mehr in Frage wie sich die LSBTI Gruppe überhaupt für trans*, inter* und nicht-binäre Personen einsetzt. 

In seiner Pressemitteilung zur Säule der Vielfalt vom 10.05.2021 formuliert der LSVD durchaus auch Kritik an staatlichen Institutionen: “Vielerorts sind staatliche Behörden an der Unterdrückung von LSBTIQ*-Menschen beteiligt, verweigern ihnen jeglichen Schutz vor Anfeindungen und Gewalt. LSBTIQ*-feindliche Gewalttaten bleiben dort ungeahndet, Polizei und andere Staatsorgane verweigern oftmals jede Hilfe oder sind selbst an der Hetze, Erpressung und Gewalt beteiligt.”

Mit diesen Aussagen des LSVDs erscheint das den Zielen entgegengesetzt wirkende Aufstellen der Säule der Vielfalt zusammen mit der Polizei noch zynischer. Die Kritik des LSVD an Staat und Polizei kann somit lediglich als inhaltslos begriffen werden.

Durch diese Handlung wird auf ein weiteres sichtbar, dass ein Ende von Queerfeindlichkeit nur erreicht werden kann, wenn alle Diskriminierungsmechanismen, welche queere Menschen in ihrer Vielschichtigkeit betreffen, mitgedacht werden. Kämpfe gegen Queerfeindlichkeit müssen somit immer auch antirassistisch sein. Ein solcher Kampf ist mit der Polizei nicht vereinbar. Wer in der Polizei Verbündete sucht, hat das Recht auf queere Interessensvertretung verwirkt. Ein solches Verhalten des LSVD ist nicht tragbar.

 

aqut*
Aktion queer und trans* an der Uni Göttingen

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