aqut* – Aktion queer und trans* an der Uni Göttingen
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Offener Brief: Antidiskriminierungsberatung retten!

Auch aqut* hat den offenen Brief des AStAs zur Rettung der Antidiskriminierungsberatung unterschrieben. 
Der Brief wurde im Rahmen der Kundgebung am Freitag, den 11.06.21, an das Präsidium übergeben.

Sehr geehrtes Präsidium der Universität Göttingen,

vielleicht haben Sie die Schlagzeile schon gelesen:

Anfragen auf Grund von erlebter oder beobachteter Diskriminierung an die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes sind um 78% gestiegen (im Vergleich von 2019 zu 2020).
Passend zu dieser Meldung kam bei uns die Neuigkeit an, dass Sie die an der Uni für solche Vorfälle vorgesehene Antidiskriminierungsstelle für Studierende zum 15. August komplett einstellen.

Für uns eine schwer nachvollziehbare Entscheidung, denn: Universitäten sind nicht frei von Diskriminierung und es braucht beständige Stellen und Projekte, die diese sichtbar machen und Betroffene unterstützen!

Nur um einmal das Ausmaß von Diskriminierung an deutschen Hochschulen zu skizzieren:
Eine Studie der CAU Kiel wies 2012 nach, dass 15,3% der Studierenden Diskriminierungserfahrungen im Hochschulkontext gemacht haben. Eine deutschlandweite Studie zu sexualisierter Belästigung ergab, dass 54,7% der Studentinnen dieser ausgesetzt waren. Und gerade Ihnen als Vorsitzenden der Uni Göttingen sollte bewusst sein, in welchem Maße Diskriminierung in universitären Räumen stattfindet: 2019 liefen zeitgleich zwei Disziplinarverfahren gegen Göttinger Dozenten, die Mitarbeiterinnen und Studentinnen zum Teil massiv sexuell belästigt haben; transfeindliche und
rechtsextreme Schmierereien auf dem Campus werden immer regelmäßiger gefunden; Dozent*innen weigern sich, rassistische Fremdzuschreibungen in ihren Veranstaltungen auf mehrmaliges Bitten von Studierenden zu unterlassen.

Eine fakultätsübergreifende Antidiskriminierungsstelle kann zwar kein Wundermittel gegen solche Vorkommnisse sein, aber sie kann wichtige Bausteine im Kampf gegen Diskriminierung an Hochschulen liefern.

Vier dieser, für Studierende unverzichtbarer, Bausteine wollen wir hier einmal benennen:

  • Die Beratung und Begleitung von Studierenden im Umgang mit erlebter oder beobachteter Diskriminierung:
    Neben der Möglichkeit Vorfälle von Diskriminierung anonym zu melden, bietet die Antidiskriminierungsstelle persönliche Beratungsgespräche an. Hier kann sie individuell auf die vorliegenden Erfahrungen reagieren, ob mit Infos über offizielle Beschwerden oder auch Unterstützung im weiteren Umgang mit beteiligten Personen oder Strukturen. Fallübergreifend ist hierbei ihre wichtigste Eigenschaft, Berichte von Diskriminierung zu bestätigen und Betroffene nicht alleine im Umgang mit dieser zu lassen.
  • Die Entwicklung und Umsetzung von Handlungskonzepten:
    Antidiskriminierungsarbeit sollte nicht erst dort beginnen, wo Diskriminierung von Betroffenen benannt wird, vielmehr sollte sie präventiv versuchen, diese zu verhindern. Beispielsweise kann dies
    durch Handreichungen zur Durchführung von sensiblen O-Phasen passieren. Eine feste Stelle kann hier Workshops mit Tutor*innen durchführen, für Fragen zu den Konzepten zur Verfügung stehen
    und diese immer wieder erneuern, anpassen und auf die Tagesordnung setzen.
  • Die Unterstützung der Sensibilisierung von Dozent*innen:
    Die Antidiskriminierungsstelle ist nicht nur ansprechbar für Studierende, sondern auch für Dozent*innen und bietet, wie wir wissen, auch immer wieder intern Angebote an den Fakultäten für
    Lehrende an.
  • Neben all den direkten Unterstützungsangeboten ist für uns ein Baustein auf der abstrakten Ebene in dieser Aufzählung unabdingbar: Die Existenz der Stelle ist ein Eingeständnis, dass die Universität kein Elfenbeinturm ist und somit auch in ihren Strukturen Machtgefälle und Diskriminierung existieren. Ihre Streichung lässt den Anschein erwecken, dass Ihnen egal ist, welchen Diskriminierungen vor allem die Studierenden unter uns in Ihren Räumen ausgesetzt sind oder von Ihren Angestellten erdulden müssen.

Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass die Antidiskriminierungsberatung bestehen bleibt. Es wäre ein fatales Signal, wenn die Universität angesichts der steigenden Zahlen an Beleidigungen,
Diskriminierung und Übergriffen nun diese Stelle schließt. Die Antidiskriminierungsberatung hat auch überregionale Bedeutung: Sie wird wiederholt von anderen Unis bundesweit als Positiv Beispiel genannt, als Pilotprojekt, aus dem auch weitere Kooperationen entstanden sind.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass unsere Universität in allen Strategiepapieren immer ihre Diversität hervorhebt und diese fördern will, müssen auch entsprechende Stellen gefördert werden und nicht abgebaut.

Wir erwarten eine öffentliche Stellungnahme des Präsidiums zu dieser aus unserer Sicht völlig unzumutbaren Streichung, diese können Sie gerne stellvertretend für uns alle an diversitaet@asta.uni-goettingen.de senden.

Vereint für den Erhalt der Antidiskriminierungsberatung!

 

Quellen:
Unbekannte sprühen rechte Parolen an der Uni | Göttingen (hna.de)
Antidiskriminierungsstelle – Diskriminierung an Hochschulen – Bausteine für einen systematischen Diskriminierungsschutz an Hochschulen
Anfragen wegen Diskriminierung: Alle Leitungen belegt – taz.de
Sexuelle Belästigungen: Zwei Göttinger Professoren sollen ihre Posten verlieren | Göttingen (hna.de)

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